Die Institution Museum trifft auf bewegliche Subkultur: Vom 17. August bis 30. September wird das offene Plateau zwischen Galerie der Gegenwart und dem Altbau der Hamburger Kunsthalle zum temporären Open Museum umfunktioniert. Dabei stellen mobile Raumeinheiten, bestehend aus schlichtem Sperrholz, das variable Bühnenbild für ein vielfältiges Programm aus bildender Kunst, Performance, Film und exquisiter Musikbeschallung. Ein Beitrag von Katrin Diederichs.
Die operative Organisation BALTIC RAW ORG, ein Zusammenschluss von Künstlern, Dramaturgen und Architekten, steht schon seit einigen Jahren für die „In-Landnahme“ bracher Flächen und Räume im Stadtgebiet. Diese Orte werden kurzzeitig besiedelt und für Aktionen, Installationen, Performances und Konzerte gewissermaßen „zwischengenutzt“. Dabei liegt der Fokus immer auf Prozesshaftigkeit, Interaktivität und der ortspezifischen Entwicklung künstlerischer Aktionen. So beispielsweise 2010, als auf einer Brache im Hamburger Stadtteil St. Georg das Open Museum BROKEN HOME u.a. mit der Zielsetzung begründet wurde, den Kunstort durch Anlage und Architektur jederzeit und direkt zugänglich zu machen. Eine Öffnung zum urbanen Leben also, die im Gegensatz zum strengen musealen Kontext steht, der doch oftmals die individuelle Rezeption der präsentierten künstlerischer Positionen steuert und beschränkt.
In diesem Jahr wird das Verhältnis zwischen fester Institution und offener Kunststätte weiter ausgelotet und mit künstlerischen Mitteln u.a. die Aktualität des Museumsbegriffs und die Relevanz eines Museums für Gegenwartskunst untersucht. Dabei sind Kunsthalle und Open Museum nicht nur topographisch, sondern durch unterschiedliche Sound- und Kunstinstallationen auch auditiv und gestalterisch miteinander verschränkt. So wird beispielsweise das Videopanel TIERE WIE WIR (Do, 20.-23.9.) Arbeiten aus dem Depot der Kunsthalle zusammen mit anderen medienkünstlerischen Positionen zeigen.
Zentrum der temporären Museumstätte ist der „Kiosk“ – das Hauptgebäude, Treffpunkt für Information und Austausch und zeitweilig auch Sitz des Utopischen Instituts, einer Art Bibliothek über gedankliche und gelebte Utopien. Die kleineren satellitenartigen Ausstellungsboxen werden durch die jeweiligen Performances, Konzerte und Installationen immer wieder verschoben und neu angeordnet und somit auch das Kunstdorf als Gesamtinstallation stetig verändert: „Wo an einer Stelle noch aufgebaut wird, wird an einer anderen gerade abgebaut, während an einer dritten ein stiller Ort zum Verweilen geschaffen wurde“, so Móka Farkas und Berndt Jasper, zwei der Gründungsmitglieder von BALTIC RAW.
Zur Eröffnung am kommenden Freitag wird es erst einmal schneien: Filomeno Fusco und Viktor Kégli zeigen mit Winterdienst im Schüttelbild (Ein-Euro-Jobber) eine Rauminstallation, die in erster Linie auf der Interaktion zwischen den Geldgebern und dem Künstler basiert: in einem gläsernen Schaukasten sitzt ein Mann und lässt Kunstschnee aufwirbeln, sobald ein Besucher einen Euro in den Münzautomaten wirft. Ein weiterer Programmpunkt des Eröffnungstages ist unter anderem ein Spielmannszug sowie weitere seh- und hörenswerten Darbietungen aus bildender Kunst und Musik, u.a. von Rocko Schamoni, Berndt Jasper, DJ Kenconsumer & HC Dany.
In den letzten Tagen wird der Rückbau des Museumsdorfes inszeniert und die hölzernen Relikte im Lichthof der Galerie der Gegenwart skulptural aufgeschichtet. Bis dahin lädt das Open Museum zum offenen und partizipatorischen Dialog ein – stets im dynamischen Wechsel zwischen Galerie und Off Raum, Bühne und Studio.
BALTIC RAW – Open Museum
Hamburger Kunsthalle
Plattform vor der Galerie der Gegenwart
Glockengießerwall
18. August – 30. September 2012
Programm